Urbane Rückseiten / Übersehene Räume
„So viel Türen: [...] hinter jeder ist nur immer wieder neuer Raum“. (1) Im urbanen Alltag bewegen sich Stadtbewohner und -benutzer routiniert in Repräsentationsräumen, vor
Fassaden. Sie scheinen selbstverständlich, immer schon da und alternativlos. Aus und zwischen ihnen
führt eine Vielzahl von Türen – meist unauffällig, fast getarnt, in den Untergrund zu einem Labyrinth
städtischer Hinterräume, die Wartungs- und Betriebslogistik beherbergen. Sie garantieren das Funktionieren
der städtischen Infrastruktur.
Der Zugang zu diesem Labyrinth, selbst der bloße Einblick bleibt solange verwehrt, bis eine Störung, ein
Fehler oder aber auch nur ein Umbau in der städtischen Routine auftritt und der Wartungsapparat an die
Oberfläche bricht. Dann reißen Lücken auf und werden all die Handlungen offensichtlich, die nötig sind,
um die Fassaden aufrecht zu erhalten und den städtischen Alltag zu ermöglichen.
Die Logistik der „Erhaltung“ sowie die den Städten immanente ständige Transformation ist hoch funktional
und erscheint doch immer wieder improvisiert und provisorisch. Universell einsetzbare Materialien
dominieren Übergangszustände, in denen der vorherige Zustand nicht mehr, der zukünftige noch nicht
erkennbar ist.
Rohes Holz, Planen und Gitter stellen sich in den Weg. Das Verhältnis von Fassade und Rückseite verkehrt
sich, der an die Oberfläche getretene Untergrund irritiert, wirkt deplatziert und befremdlich.
(1) Günther Kunert, Erinnerung an einen Planeten, München 1963, S. 27
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